Ein Interview mit Richard van Wageningen - Präsident Europa, Orange Business
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Wenn Richard van Wageningen, Leiter der europäischen Niederlassung von Orange Business, mit Führungskräften spricht, dreht sich rund die Hälfte der Gespräche nicht um Technologie, sondern um Geopolitik und Datenkontrolle. „Es geht nicht nur darum, wo Ihre Daten liegen, sondern auch, wer die Kontrolle darüber hat – und ob eine ausländische Regierung den Zugriff sperren könnte“, erklärte er im Gespräch.
Vom Weckruf zur Strategie
Europa hat lange Zeit vieles für selbstverständlich gehalten", sagt Van Wageningen. Der Krieg in der Ukraine, die Spannungen in Asien und die Massnahmen der USA haben deutlich gemacht, dass die Abhängigkeit von aussereuropäischen Lieferanten ein echtes Risiko darstellt. "Das war ein Weckruf. Diese gemeinsamen Bedrohungen zwingen uns zur Zusammenarbeit." Uns ist klar, dass wir unsere digitale Grundlage schützen müssen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Orange Business durchläuft derzeit einen umfassenden digitalen Wandel. „Wir nutzen unsere eigene Organisation als Testfeld“, erklärt Van Wageningen. „So erkennen wir, welche Möglichkeiten wirklich funktionieren – und diese Erfahrungen kommen direkt unseren Kunden zugute.“ Auf diese Weise entstehen praxisnahe Best Practices für verschiedenste Branchen.
Van Wageningen spricht regelmäßig mit Kunden im Nahen Osten, Asien und Osteuropa. Dort setzen Länder bewusst auf Technologien aus unterschiedlichen Machtblöcken: „Es geht nicht darum, einer Partei zu vertrauen, sondern die Abhängigkeit zu reduzieren. Diese Entwicklung gewinnt jetzt auch in Europa an Bedeutung.“
Dieses Fundament beginnt mit der Infrastruktur. Orange Business, der Geschäftszweig des Telekommunikationskonzerns Orange S.A., betreibt ein globales Netzwerk mit Rechenzentren und 450.000 km Unterseekabeln. „Konnektivität ist keine Ware, sondern die Grundlage“, so Van Wageningen. Ohne zuverlässige Verbindung funktionieren Cloud, KI und Cybersicherheit nicht – Fabriken stehen bei Ausfällen still, und nach Kabelsabotage kann digitaler Zahlungsverkehr ausfallen.
Europäische Cloud als Option
Bei der Diskussion über Datensouveränität geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um Vertrauen. "Jeder kann eine souveräne Cloud aufbauen", sagt Van Wageningen. "Die Frage ist: Wem vertraut man?"
Orange unterliegt als europäisches Unternehmen vollständig dem EU-Recht. Das bedeutet, dass die Daten in den EU-Rechenzentren ausschließlich für Mitarbeiter mit europäischem Hintergrund zugänglich sind.
Der Unterschied zu amerikanischen Hyperscalern ist laut Van Wageningen klar: Selbst wenn Daten physisch in Europa liegen, kann ein US-Gerichtsurteil den Zugriff erzwingen. Europäische Governance bietet daher einen echten Vorteil – nicht nur für europäische, sondern auch für asiatische und amerikanische Unternehmen, die in Europa tätig sind.
KI erfordert Governance und gesunden Menschenverstand
Van Wageningen betont, dass künstliche Intelligenz keine „Harry-Potter-Magie“ ist: „Garbage in, garbage out. Ohne gutes Datenmanagement und klare Governance bleibt KI eine teure Übung.“
Orange Business hat Live Intelligence intern entwickelt, das inzwischen auch extern angeboten wird. Mitarbeiter arbeiten damit mit verschiedenen großen Sprachmodellen – die Unternehmensdaten bleiben jedoch intern, werden nicht zum Training öffentlicher Modelle genutzt und verbleiben in den EU-Rechenzentren.
Zehntausende Mitarbeitende nutzen den Dienst bereits. „KI bringt nur dann echten Mehrwert, wenn Governance und Compliance von Anfang an sichergestellt sind“, so Van Wageningen.
Vom Risiko zum Handeln
Van Wageningen sieht das größte Risiko darin, dass Gefahren oft unterschätzt werden. „Viele Unternehmen warten, bis etwas schiefgeht. Dann erweisen sich die eingesparten Sicherheitsmaßnahmen als teuer.“ Der erste Schritt sei ein Sicherheitsscan, gefolgt von der Wahl verlässlicher Cloud- und Netzwerkpartner, der Festlegung einer klaren Datenstrategie und der Beschränkung des Zugriffs auf sensible Systeme.
Cybersecurity bleibt vor allem eine menschliche Aufgabe. Orange schult seine Mitarbeitenden mit praxisnahen Fallstudien und empfiehlt Kunden, dasselbe zu tun. „Bewusstsein und klare Vorgaben von der Führungsebene sind entscheidend. Nichts zu tun kostet am Ende mehr als in Sicherheit zu investieren. Das schwächste Glied bleibt der Mensch“, erklärt Van Wageningen. Deshalb setzt Orange auf Sensibilisierungsschulungen mit realen Szenarien – keine trockenen Module, sondern Beispiele, die zeigen, wo und wie Fehler passieren können.
Ein Wettbewerbsvorteil im Entstehen
Vorschriften werden oft als Hemmschuh für Innovation betrachtet. Doch die europäische Ausrichtung auf Datensouveränität kann zum Vorteil werden. „Unternehmen aus Asien und den USA investieren in Europa, weil hier strenge Vorschriften gelten. Wer in Europa gut mit Daten umgeht, kann leichter international expandieren“, erklärt Van Wageningen.
Für Unternehmen, die KI einsetzen möchten, bietet Orange einen AI Readiness Scan an. „Damit prüfen wir schnell, ob Governance, Infrastruktur und Datenstrategie stimmen.“
Sein Rat an Führungskräfte: Warten Sie nicht. Starten Sie mit einer Risikobewertung, stellen Sie Compliance sicher und entscheiden Sie bewusst, welche Daten in Europa bleiben müssen. Sensible und persönliche Daten sollten souverän verwaltet werden, während andere Daten flexibel genutzt werden können. Beginnen Sie klein mit KI-Anwendungen, statt sofort auf große Gewinnversprechen zu setzen.
Mit Orange Restricted wird Datenhoheit zu einem Wettbewerbsvorteil für Europa. „Nehmen Sie nichts als selbstverständlich hin“, schließt Van Wageningen. „Genau dieses Bewusstsein stärkt Europa.“